Otto Julius Bierbaum (1865-1910)
Fasching
Introduktion
Buntes Gewühl, es wirbeln und flirren
Tausend Farben in tollem Gemenge,
Taumelnde, jauchzende Töne schwirren,
Suchende glühende Blicke irren
Durch das Gedränge.
In all' dem Trubel – ich suche nur eine:
Reizender Racker, was läufst du so schnelle?
Kaum, dass ich wieder zu haben sie meine,
Ist sie verschwunden, die zierliche, kleine
Pollichinelle.
Nebenbei
Mit dem Fächer spielen,
Mit den Augen zielen,
Jede kann die Kunst famos;
Jede lernt das schnell,
Die kleinste Nähmamsell
Ist auf diesem Gebiete groß.
Walzer
Ein Walzer hebt sich säuselnd an
Mit hüpfendem Bogenspringen,
In breitem, rauschendem Striche dann
Beginnt er sein lockendes Singen.
Er schmeichelt in das Herz sich ein
Den zart beschwippsten Mädchen,
Nun ist die Ruhe bittre Pein
Elektrisierten Wädchen.
Frei und geheim ist hier die Wahl;
Such, Freund, dir irgend eine
Und schwenke sie rundum im Saal,
Stehst fest du noch auf dem Beine.
Intermezzo des Jammers
Himmel und Hölle! Was muß ich da sehen!
Meine kleine Pollichinelle,
– Himmel und Hölle! –
Hingeschmiegt in lustigem Drehen
An die breite Brust eines langen
Russen, mit lauter Pistolen behangen
... Hol ihn der Teufel!
Redouten-Ritornelle
1.
Bescheidenes Veilchen!
– Na freilich, mein Schatz, wir trinken schon Sekt,
Aber wart noch ein Weilchen.
2.
Tulpenglocke!
– (Sie wohnt in der Kaufingerstraße 3,
Hinten, im dritten Stocke.)
3.
Schimmernde Rose!
– Sie ist mich arm in Kalbsfilet
Mit saurer Sahnensauce.
4.
Schwermütige Lotosblüte!
– Von Leibe ist sie dürftig zwar,
Aber üppig von Gemüte.
5.
Mein Gänseblümchen!
– Ich bin zufrieden, gibst du mir nur
Von deiner Liebe ein Krümchen.
6.
Strohgelbe After!
– Auf dem Maskenfeste spröde sein
Ist ein abscheuliches Laster.
7.
Duftvolle Syringe!
– Hätt ich Geld im Sack, ich wettete mit,
Dass ich nach Hause dich bringe.
Polka
Eng ihr an die Brust gepresst,
Halt ich sie fest, halt ich sie fest,
Drehe mich wild ringsum, ringsum:
Mädel, Mädel, du hübsche, gute,
In meinem Blute
Dreht sich ein Tanz:
Dein bin ich ganz!
Mädel du, Mädel du, magst du mich leiden?
Wir zwei beiden
Passen zusammen,
Unserer Herzen jauchzende Flammen
Geben wundersamen Glanz.
Dir aus den Augen schimmern sie prächtig,
Mir in den Adern schwellen sie mächtig,
Rasen sich taumeltoll tanzend entgegen
Jubelnd, verwegen,
Schwellend im Glühen,
Im Lodern, im Sprühen
Höllischen, himmlischen Brands!
Kehraus
Kehraus. Vorbei der tolle Schwarm.
Wir gehen friedlich Arm in Arm,
Die Meine und ich, nach Hause.
Nach Hause.
Ist nicht die Welt gar wunderschön!
Sieh, wie die Sterne am Himmel stehn,
Wie sie freundlich blinken.
Dir in die Augen muss ich sehn,
In dir vergehn,
In unsäglicher Lust ertrinken.
Joachim Ringelnatz (1883-1934)
Ferngruß von Bett zu Bett
Wie ich bei dir gelegen
Habe im Bett, weißt du es noch?
Weißt du noch, wie verwegen
Die Luft uns stand? Und wie es roch?
Und all die seidenen Kissen
Gehörten deinem Mann.
Doch uns schlug kein Gewissen.
Gott weiß, wie redlich untreu
Man sein kann.
Weißt du noch, wie wir’s trieben,
Was nie geschildert werden darf?
Heiß, frei, besoffen, fromm und scharf.
Weißt du, dass wir uns liebten?
Und noch lieben?
Man liebt nicht oft in solcher Weise.
Wie fühlvoll hat dein spitzer Hund bewacht.
Ja unser Glück war ganz und rasch und leise.
Nun bist du fern.
Gute Nacht.
Rainer Maria Rilke (1875-1926)
Die Liebenden
Sieh, wie sie zueinander erwachsen:
in ihren Adern wird alles Geist.
Ihre Gestalten beben wie Achsen,
um die es heiß und hinreißend kreist.
Dürstende, und sie bekommen zu trinken,
Wache und sieh: sie bekommen zu sehn.
Lass sie ineinander sinken,
um einander zu überstehn.
Max Dauthendey (1867-1918)
Nie war die eine Liebesnacht...
Nie war die eine Liebesnacht
In deinem Schoß der andern gleich,
Dein Leib ist ein Septembermond
An immer neuen Früchten reich.
Die Brüste sind ein Traubenpaar,
Und drinnen pocht der junge Wein,
Die Augen sind ein Himmelstor
Und lassen meine Wünsche ein.